PM: Eine gute Strategie bleibt ohne Verbindlichkeiten ein zahnloser Tiger

Die Europäische Kommission hat heute die neue EU Rahmenstrategie zur Gleichstellung, Inklusion und Partizipation von Roma veröffentlicht.

Romeo Franz, Grüner Europaabgeordneter, Deutscher Sinto und zuständiger Berichterstatter des Europäischen Parlaments kommentiert:

„Die neue EU Rahmenstrategie stellt einen notwendigen Neuanfang im Kampf gegen Antiziganismus und für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Romani-Hintergrund in Europa dar. Die Kommission hat mit der Benennung konkreter Zielindikatoren den Weg für eine verbindlichere und überprüfbare Umsetzung in den Mitgliedsstaaten geebnet. Es ist richtig, dass die Bekämpfung von Antiziganismus nun endlich zur Priorität gemacht wird und eine stärkere finanzielle Ausstattung in Aussicht gestellt wird.

Auch wenn dies klare Fortschritte sind, fehlt es der Strategie an Verbindlichkeit und Kontrollmöglichkeiten. Es bleibt die unangenehme Wahrheit: ohne ein Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Romani und ohne Rechsstaatlichkeitsmechanismus bleibt die Rahmenstrategie ein zahnloser Tiger. Wie wollen wir die prekäre Situation von Millionen von Menschen mit Romani-Hintergrund in Europa tatsächlich verbessern, wenn in den betroffenen Ländern politisches Führungspersonal selber offen antiziganistisch ist und EU-Gelder für die Stigmatisierung von Roman-Gemeinschaften umgewidmet werden, anstatt zur Inklusion und Rassismusbekämpfung beizutragen? Wie können wir eine gerechte Teilhabe für Menschen mit Romani-Hintergrund erreichen in einem Staatssystem, in dem Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit missachtet werden und der gleiche Zugang zum Justizwesen für alle Bürger nicht gewährleistet ist?

Ohne eine größere Verbindlichkeit wird sich für die Menschen mit Romani-Hintergrund vor Ort nur wenig ändern. Eine breite Mehrheit im Europäischen Parlament spricht sich für ein europäisches Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Romani-Hintergrund aus und für einen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus, der klare Vorbedingungen an die Mitgliedsstaaten für die Abrufung von EU-Geldern benennt. Nur so können wir die Menschen vor Ort in die Lage versetzen, dass sie ihre Rechte als gleichberechtigte Bürger auch wahrnehmen können. Und nur so kann die EU sicherstellen, dass Ihre finanzielle Unterstützung auch dort ankommt, wo sie dringend benötigt wird.“

Hintergrund zu Fallbeispielen:
Letzte Woche wurde bekannt, dass das bulgarische Innenministerium 1.7 Millionen Euro an Fördermitteln des Europäischen Solidarfonds für Fortbildungsmaßnahmen von Polizeikräfte nutzt, die in den Augen von Roma-Organisationen zur Stigmatisierung der ethnischen Minderheit beitragen und rassistische Stereotypen weiter zementieren.


Der Oberste Gerichtshof Ungarns hat im May 2020 die Segregation von Roma Kindern in der Grundschule der Gemeinde Gyöngyöspata kritisiert und den Familien eine Schadensersatzzahlung zugesprochen. Premierminister hat dieses Urteil als unfair und schwer verständlich für die arbeitenden Bevölkerung der Ungarn bezeichnet.